In vier Seminaren beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler des Johannes-Gymnasium und des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums mit der Frage, wie 75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz die Erinnerung an die unmenschlichen Schrecken der nationalsozialistischen Diktatur deutsche Vergangenheit wachgehalten und Gegenwart gestaltet werden kann. Für die Schülerinnen und Schüler des Johannes-Gymnasiums bot die zweitägige Veranstaltung zugleich eine Gelegenheit, die anlässlich einer Exkursion nach Auschwitz gewonnenen Eindrücke zu reflektieren.
Seminar 1: Die schmerzhafte Kinderstube der Nazi-Generation
Laut dem
italienischen Schriftsteller und Holocaustzeitzeugen Primo Levi ist es
geschehen und kann folglich wieder geschehen. Seine Aussage bezieht sich auf
die Shoah, die organisierte Vernichtung des jüdischen Volkes. Aber warum konnte das Unbegreifliche überhaupt
geschehen? Was waren die entscheidenden Voraussetzungen? Weshalb haben so viele
mitgemacht? Was macht(e) Menschen zu Nazis?
Diesen Fragen spürte der Workshop anhand des Filmes „Das weiße Band“ von Autorenfilmer Michael Haneke nach. Der Film aus dem Jahr 2009 fängt das bedrückende soziale und zwischenmenschliche Klima der Kindertage der einstigen Nazis ein und vermag Antworten zu geben. Der Blick richtete sich aber nicht ausschließlich auf die Vergangenheit, vielmehr sollte die aktuelle politisch-gesellschaftliche Dimension stets mitbedacht werden, denn: Antisemitismus und andere Formen der Stigmatisierung scheinen wieder salonfähig zu werden.
Seminar 2: Aufarbeitung der NS-Verbrechen
Mit ihrem Buch
„Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“ leitete die
Philosophin Hannah Arendt 1963 eine Kontroverse ein, die sich in den
Frankfurter Auschwitzprozessen widerspiegelt. Arendt analysiert Adolf Eichmann,
der für den Transport von schätzungsweise sechs Millionen Menschen in die
Vernichtungslager mitverantwortlich war, als „normalen Menschen“, der sich
darauf beruft, im NS-Apparat nur seine Pflicht erfüllt zu haben. Eichmann war
vom israelischen Geheimdienst aus Argentinien entführt und in einem Prozess in
Jerusalem zum Tode verurteilt worden. In den seit 1963 auf Initiative des
hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer geführten Prozessen gegen
SS-Angehörige gelang es, die Maxime „Befehle und Gehorsam“ als
Entschuldigungsgrund zu widerlegen.
Das Seminar wollte zum einen anhand von Ton- und Bilddokumenten die Aufarbeitung der NS-Verbrechen problematisieren. Dazu wurden literarische Texte (Schlink, der Vorleser) und Filmszenen (Hannah Arendt (2012), Der Staat gegen Fritz Bauer (2015)) herangezogen. Zum anderen ging es um die Frage, ob dergleichen wieder geschehen könnte. Lässt sich das Deutschland jener Zeit als ein „Versuchslabor des Bösen“ betrachten, in dem experimentell erforscht wurde, was Menschen einander antun können? Stehen wir vor der Aufgabe zu verhindern, dass Menschen noch einmal dieselben Irrwege gehen? Insofern ist und bleibt Auschwitz für immer ein Bestandteil der deutschen Identität.
Seminar 3: Enkel*innen des Krieges
In diesem
Workshop setzten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Folgen des II. Weltkrieges
für die nachfolgenden Generationen auseinander. Der II. Weltkrieg wirkte
mit seinen Schrecken, fokussiert auf die Schrecken im KZ Auschwitz, nicht nur
auf die Beteiligten, sondern auch auf die nachfolgenden Generationen. Es geht
um Biographien von Kindern von Opfern und um Biographien von Kindern von
Tätern. Es geht um das Schweigen und Nicht-Erzählen der Erlebnisse wegen
Verdrängung oder aus Selbstschutz heraus. Es geht um die Nachwirkungen in
Familien und Beziehungen bis in die heutige Zeit hinein.
Seminar 4: Die Zukunft der Erinnerungskultur am Beispiel des Konzentrationslagers Auschwitz - was geht mich das an?
Erinnerungskultur
steht vor großen Herausforderungen: Laut einer CNN-Umfrage wissen etwa 40
Prozent der jungen Deutschen kaum etwas über den Holocaust. Angesichts eines
erneut zunehmenden Antisemitismus und Rechtsextremismus in der
bundesrepublikanischen Gesellschaft ist es notwendig sich intensiv mit
Geschichte im Allgemeinen und der NS-Vergangenheit im Speziellen
auseinanderzusetzen. Anlass hierzu bot neben dem jüngst in der Presse
thematisierten gewaltvollen Vorgehen gegen Juden in Halle insbesondere der 75-jährige Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. In
diesem Workshop beschäftigete man sich intensiv mit der Aufarbeitung der in
Auschwitz geplanten und umgesetzten Ermordung der sechs Millionen europäischen
Juden und aller anderen Opfer des Nationalsozialismus und stellte in diesem
Kontext die Frage nach einem adäquaten Umgang mit der Vergangenheit im 21.
Jahrhundert.