Wer
die Geschichte der deutsch-französischen Schulpartnerschaften nach dem
zweiten Weltkrieg schreibt, wird auf der ersten Seite die Namen von
drei Schulen notieren müssen: das Johannes-Gymnasium in Lahnstein
zusammen mit dem Collège St. Etienne und das Lycée Charles Péguy, den
beiden bischöflichen Schulen in Châlons-en-Champagne, dem Zentralort
der Champagne. Die Freundschaft zwischen diesen drei Schulen an Rhein
und Marne besteht seit über 50 Jahren. Mit ihren Schülerinnen und
Schülern, deren Familien und Lehrern gehören diese Schulen zu den
Pionieren und Avantgardisten auf dem Weg zur deutsch-französischen
Verständigung und Aussöhnung.
Viele
deutsch-französische Partnerschaften begannen voller Hoffnung, waren
aber nicht von langer Dauer. Andere haben durchgehalten und sind noch
heute lebendig. Alle, die sich gleich nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs für die deutsch-französische Verständigung eingesetzt haben,
hatten es nicht leicht. Die beiden Weltkriege hatten vor allem im
Marnetal viele Wunden hinterlassen. So brauchte es viel Mut zu den
ersten Schritten. Die beiden ersten, die Initiative ergriffen, waren
Pater Charles Perardelle, damals Deutschlehrer am College St. Etienne,
und Pater Ludolf Signon, Lehrer am Johannes-Gymnasium. Der
Schüleraustausch begann 1954 und setzte auf beiden Seiten der Grenzen
eine gehörige Portion Ausdauer, Vertrauen und auch Glauben an eine
Freundschaft von Dauer voraus: Über 50 Jahre bestehen nun
partnerschaftliche Beziehungen zwischen jungen Menschen, ihren Familien
und Lehrern an den Ufern von Rhein und Marne.
Die
Lahnsteiner Schulpartnerschaft ist älter als der deutsch-französische
Freundschaftsvertrag, den Charles de Gaulle und Konrad Adenauer
unterschrieben haben im Namen ihrer Völker. Sie ist auch älter als die
meisten Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden. Heute gehört der
Schüleraustausch zum Alltag der Schulen. Und er ist sogar gewachsen:
Das Wilhelm-Hofmann-Gymnasium St. Goarshausen hat sich angeschlossen,
und die Zusammenarbeit ist beispielhaft. Jahr für Jahr treffen sich
junge Menschen an Rhein und Marne. Die Gruppenfahrten werden von Lehrern
vorbereitet und begleitet. Exkursionen, Teilnahme am Unterricht des
Partners, Aufenthalte in den Familien stehen auf dem Programm.
Die Chronik einer Partnerschaft
- 1954 Erste Kontakte, Beginn der Brieffreundschaften.
- 1955 Pfingsten: Schüler des Petit séminaire in Châlons sind Gäste im Johannes-Gymnasium in Lahnstein. Sommer: 40 deutsche Schüler weilen zum Gegenbesuch in Châlons.
- 1956 Erster Schüleraustausch während des Schuljahres von Internat zu Internat im Februar und Juni. August: Europäische Jugend aus Holland, Belgien, Frankreich und Deutschland trifft sich in Beckingen/Saar. P. Ludolf Signon ist der Initiator dieser Begegnung. 80 Schüler und zehn Lehrer und Studenten nehmen daran teil.
- 1957 P. Ludolf Signon und Franz Schuster nehmen an der österlichen Romwallfahrt der Kleinen Seminaristen von Châlons teil.
- 1958 August: Zweites europäisches Treffen von Jugendlichen in Lahnstein. 2. Austausch von Internat zu Internat.
- 1959 Dritter Austausch von Internat zu Internat. P. Richard Ott und drei Lahnsteiner Schüler sind für drei Wochen Gäste des Kleinen Seminars in Châlons. P. Ludolf Signon in Châlons, Père Perardelle, Superior des College St. Etienne, in Lahnstein. Ein regelmäßiger Schüleraustausch von Gruppen zwischen 20 und 30 Schülern bahnt sich an und wird von dieser Zeit an zu einer regelmäßigen Einrichtung bis in unsere Tage. Im gleichen Jahr kommt Père Michel Bernard, Lehrer am College St. Etienne als Lehrer für Französisch nach Lahnstein und unterrichtet bei uns bis 1965.
- 1964 Juni: Monseigneur René-Joseph Piérard, Bischof von Châlons sur Marne, feiert mit der Schulgemeinschaft des Johannes-Gymnasiums in Lahnstein die heilige Eucharistie zum Gedenken an den zehnten Jahrestag unserer Partnerschaft. Dezember: P. Charles Perardelle, Initiator unseres Schüleraustausches, wird vom Bundespräsidenten Heinrich Lübke das Große Verdienstkreuz verliehen in Anerkennung seiner Verdienste um die deutsch-französische Verständigung. Dr. Günther, deutscher Konsul in Nancy, überreicht die Auszeichnung im dortigen Goethe-Institut.
- 1965 Januar: Das Blasorchester des Johannes-Gymnasiums folgt einer Einladung des College St. Etienne zur Teilnahme am dortigen Schulfest - 11. Juli: In der Rhein-Lahn-Halle gedenken wir offiziell in einer Matinee des 10. Jahrestages unseres Schüleraustausches - Bürgermeister Reetzmann spricht zur Versammlung
- 1968 Herz-Jesu-Fest: Monseigneur René-Joseph Piérard legt den Grundstein zu unserem Neubau mit den naturwissenschaftlichen und musischen Sonderräumen - in seiner Begleitung befindet sich der Generalvikar Paul Carriere, der im September des gleichen Jahres in seiner ehemaligen Pfarrkirche Notre-Dame zu Epernay/Marne zum Bischof von Laval geweiht wurde. P. Richard Ott gehört zu den geladenen Gästen und nimmt an der Bischofsweihe teil
- 1969 Sommer: Festival deutscher und französischer Privatschulen in Münster/Westfalen. Unter den nahezu tausend Teilnehmern befinden sich das Blasorchester des Johannes-Gymnasiums und eine Gruppe unserer Partnerschule,
- 1970 Sommer: Deutsch-französisches -Seminar, an dem Vertreter beider Partnerschulen teilnehmen
- 1971 Vaison-la-Romaine: Zweites Festival deutscher und französischer Privatschulen unter Teilnahme unserer beiden Partnerschulen
- 1974 Zur Zeit unseres Schüleraustausches in Châlons macht das französische Regionalfernsehen am 9. März Aufnahmen und Interviews in der Partnerschule und in einer Familie aus Anlass des 20. Jahrestages unseres Schüleraustausches. 31. Mai: Monseigneur Lucien Bardonne, der Monseigneur Piérard in dei Verantwortung für die Leistung der Diözese Châlons abgelöst hat, begeht mit uns im Johannes-Gymnasium den 20. Geburtstag unserer Partnerschaft (Eucharistiefeier und Festakt in der Aula des Gymnasiums).
- 1975 Charles Marie Jesné, der selbst früher Austauschschüler war, und Pater Richard Ott führen den Schüleraustausch in Châlons bzw. in Lahnstein fort.
- 1976 In den folgenden Jahren werden die Austauschgruppen aufgeteilt in die Oberstufe mit dem Lycée Charles Péguy und in die Mittelstufe mit dem Collège St.Etienne, um das Interesse am Erlernen von Französisch bzw. Deutsch schon bei jüngeren Schülern zu fördern. Betreuungslehrer sind Mlle Robert, Mdme Raymond und Pater Rolf Dehm, dessen Nachfolger Christoph Loch wird.
- 1984 Das 30jährige Jubiläum wird mit einem Pontifikalamt des Bischofs Lucien Bardonne und einem Festakt im Johannes-Gymnasium in Lahnstein gefeiert.
- 1985 Die entsprechende Jubiläumsfeier findet an den Partnerschulen in Châlons mit einem Empfang durch den Bürgermeister und den Bischof statt.
- 1988 Das Wilhelm-Hofmann-Gymnasium in St.Goarshausen beteiligt sich
am Schüleraustausch, angeregt durch Direktor Günter Ketzer, der vorher
am Johannes-Gymnasium dabei mitgewirkt hat. Durch die Zusammenarbeit des
WHG als „lycée mixte“ mit dem Johannes-Gymnasium finden auch Mädchen
der Schulen von Châlons genügend Austauschpartnerinnen - zum 35-jährigen Bestehen werden 4 Schülerbegegnungen durchgeführt.
Der Schulleiter des Lycée Charles Péguy, Mr Grigorieff, besucht dabei das Johannes-Gymnasium und das Wilhelm-Hofmann-Gymnasium. Lehrerdelegationen des Johannesgymnasiums und des WHG treffen sich im Lycée Charles Péguy in Châlons zu einem „jour pédagogique“ (Erfahrungsaustausch über pädagogische Themen). Auf der Rückfahrt Besichtigung der Kathedrale von Reims.
- 1995 Am 8. Mai wird dieses Jubiläum mit einem Gottesdienst und einem Festakt am Johannes-Gymnasium in Lahnstein gefeiert, zu dem Direktor Pater Lothar Ingmanns zahlreiche Ehrengäste aus Politik, Verwaltung und Schulaufsicht begrüßen kann. Schüler des Lycée Charles Péguy führen die Komödie „Tartuffe“ von Molière auf
- 1997 Beate Kammerer und Claudia Hentschel übernehmen am WHG zusammen mit Pater Richard Ott und Christoph Loch vom Johannes-Gymnasium die Betreuung der Austauschgruppen
- 1998 Elisabeth Grimm tritt in Lahnstein die Nachfolge von Pater Richard Ott an. Carole Omrane übernimmt in Châlons die Leitung des Austauschs von Charles-Marie Jesné - so setzen sich jüngere Lehrkräfte für das Fortbestehen des Schüleraustauschs ein - der Direktor des Lycée Charles Péguy, Pièrre Taesch , besucht die Partnerschulen in Lahnstein und St.Goarshausen - Schüler und Schülerinnen des Leistungskurses 12 Französisch von Beate Kammerer (WHG) führen während eines Aufenthalts in Châlons bei Firmen und Institutionen ein Betriebspraktikum in Frankreich durch
- 2001 Die Schulleiter des Johannesgymnasiums und des Wilhelm-Hofmann-Gymnasiums, Pater Alfred Bell und OStD Günter Ketzer, besuchen mit ihren Schüleraustauschgruppen das Lycée Charles Péguy und das Collège St.Etienne. Für die Darstellung ihrer Erfahrungen mit dem Betriebspraktikum in Châlons gewinnen die Schüler und Schülerinnen des LK Französisch von Frau Kammerer bei dem Wettbewerb „Lernen und Arbeiten in Europa“ einen Buchpreis und werden im November zu einem Besuch des europäischen Parlaments nach Brüssel eingeladen.
- 2003 Am Wilhelm-Hofmann-Gymnasium übernehmen Susanne Dahlhauser und Imke Uphoff die Betreuung der Austauschgruppen
- 2004 Am 9. Oktober findet das 50-jährige Jubiläum in Lahnstein statt. Bischof Georg Müller (Trondheim) als ehemaliger Schüler und die
Arnsteiner Patres feiern zusammen mit den französischen Priestern
Jacques Werninger und Alain Alex einen deutsch-französischen
Festgottesdienst in der St. Barbara-Kirche in Lahnstein.
Bei dem anschließenden Festakt, zu dem Direktor Pater Alfred Bell auch Austauschschüler, Eltern und Lehrer der französischen Partnerschulen zusammen mit den Schulleitern Marie-Christine Vanet vom Collège St. Etienne und Emile Vasseur vom Lycée Charles Péguy herzlich begrüßt, geben der Mitbegründer Pater Ludolf Signon, Pater Richard Ott und Chantal und Charles Marie Jesné einen Rückblick über die Entwicklung des deutsch-französischen Schüleraustauschs in den 50 Jahren seit 1954. Nach einer Schiffstour auf dem Rhein nehmen alle französischen und deutschen Gäste am Abend am Schulball des Johannes-Gymnasiums teil.
- 2005 Festakt im Collège St. Etienne Châlons-en-Champagne anlässlich
des 50-jährigen Jubiläums; Jean Louis Octau, "directeur diocésain" für das katholische Schulwesen der Region Champagne-Ardennes, unterstreicht die Bedeutung des christlichen Fundaments der deutsch-französischen Aussöhnung; Pater Alfred Bell zelebriert zusammen mit
Monseigneur Gilbert Louis, Bischof der Diözese Châlons-en-Champagne, in der Kirche St. Alpin
einen Festgottesdienst;
beim abendlichen "diner spectacle" im Lycée Charles Péguy wird u.a. eine Modenschau dargeboten; Empfang im Rathaus der Partnerstadt durch Bürgermeister Bruno Bourg-Broc; Fahrradtour von Kolleg/innen des Johannes-Gymnasiums und des Wilhelm-Hofmann-Gymnasiums von Lahnstein nach Châlons; Veröffentlichung der Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum
- 2006 Ausstellung zur Geschichte des Austausch im Lycée Charles Péguy; gemeinsame Exkursion im Geschichtsunterricht von Schüler/innen des Johannes-Gymnasiums und des Lycée Charles Péguy zum ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsass
- 2012 zufälliges Treffen von Schüler/innen des Johannes-Gymnasiums und des Lycée Charles Péguy am Ossuaire de Douaumont nahe Verdun
- 2013 Empfang von Austausch-Schüler/innen durch Frank Puchtler, Landrat des Rhein-Lahn-Kreises, im Rahmen des Besuchs der franzöischen Schulen in Lahnstein und St. Goarshausen
2015 Treffen der Schulleiter in Châlons-en-Champagne aus Anlass des 60-jährigen Bestehens des Austauschs. Zum Programm gehört u.a. ein Empfang im Rathaus.
- 2019 Das Lycée Ozanam stiftet einen Freundschaftspokal für den Gewinner eines gemeinsamen Sportturniers; Sébastien Kinnaer, Schulleiter des Lycée Ozanam, überreicht den Pokal. Kolleg/innen des Johannes-Gymnasiums machen anlässlich einer Fahrt in die Bretagne Station in Châlons-en-Champagne und werden im Collège St. Etienne herzlich empfangen und zu einem opulenten Buffet eingeladen.
- 2020 und 2021 Aufgrund der Corona-Pandemie können keine Austauschbesuche stattfinden
- 2022 Mit dem Besuch französischer Schülerinen und Schüler in der zweiten Adventswoche in Lahnstein und St. Goarshausen wird der Austausch wieder aufgenommen. Erstmals können Sechstklässler teilnehmen.