Im Schuljahr 2014/15 widmeten sich die Akademietage dem Thema "Der gläserne Mensch - Angriff aufs Private".

Zur Einführung in die Thematik referierte Herr Markus Morgenroth zur Frage "Die digitale Welt –Fluch oder Segen?" im Klangraum des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums in Koblenz:

KOBLENZ/LAHNSTEIN. "Ich habe nichts zu verbergen. Sollen die doch ruhig mitlesen." Wer so denkt, hat entweder keine Ahnung oder er ist wahrscheinlich schlichtweg naiv. Denn dass es Geheimdiensten und Datensammlern heute nicht nur einfach um das Mitlesen von geposteten Nachrichten, Bildern oder den vielfach versendeten Likes geht, dürfte schon seit einiger Zeit klar sein. Was passiert mit den Daten und in welchem Umfang werden sie gesammelt? Auf all diese Fragen und noch viel mehr konnte "Informatikpapst" Markus Morgenroth – ein ausgewiesener IT-Spezialist mit jahrelanger Erfahrung im Bereich verhaltensbasierter Datenanalyse – bei seinem kurzweiligen Vortrag im Cusanus-Gymnasium umfassende Antworten geben. Eingeladen hatten das Katholische Forum Koblenz gemeinsam mit dem Cusanus- und dem Lahnsteiner Johannes-Gymnasium, für die beiden Schulen war es zudem die Auftaktveranstaltung zu den diesjährigen Akademietagen zum Thema: „Der gläserne Mensch-Angriff aufs Private“. „Seit 2009 führen wir gemeinsam die Akademietage zu komplexen, fächerübergreifenden Themen durch und bieten unseren  Abiturienten ein abwechslungsreiches, dreitägiges Programm mit Vorträgen und Workshops in einem externen Tagungshaus“, so Carl-Josef Reitz, Schulleiter des Cusanus-Gymnasiums und Rudolf Loch, Schulleiter des Johannes-Gymnasiums in Lahnstein.

Was hat das alles aber mit "katholisch" oder "christlich" zu tun? Wer genau hinhörte und im Laufe des Abends ob der Fülle an Informationen zur fortschreitenden und nicht aufzuhaltenden umfassenden Digitalisierung unseres gesamten und jedes einzelnen Lebens immer nachdenklicher wurde, hatte zumindest eine Ahnung davon. Schon heute z.B. bieten Versicherungen ihren gesundheitsbewussten Mitgliedern, von denen sie per Armband und passender App ständige alle relevanten Daten übermittelt bekommen, einen günstigeren Tarif. Was ist aber dann mit den Menschen, die krank oder alt sind, sich nicht ständig virtuell und auf dem Laufband updaten können? Müssen die alle einen höheren Tarif zahlen?

Was, wenn eine Regierung – wie in vielen Staaten ja derzeit praktiziert – z.B. Homosexuelle verfolgt und "bestraft"? Oder Andersgläubige? Oder Menschen mit anderen politischen Ansichten? Und das alles aufgrund von Datenanalysen – und nicht, weil der Homosexuelle, der Alkoholiker, der Christ oder Muslim, das Parteimitglied der XY-Partei sich als solcher geoutet hätte. Real selbstverständlich. Und nicht aufgrund von millionenfach gesammelter und untereinander vernetzter Daten und dann von Wahrscheinlichkeiten erstellter Profile.

"Die größten Datenquellen sind Suchmaschinen, die sozialen Netzwerke und natürlich Smartphones. Jedes Spiel, das Sie im Internet spielen, lässt Rückschlüsse zu auf ihre Kreativität, ihre Schnelligkeit, ihre Ausdauer und vieles mehr", erläuterte Morgenroth. Aber auch, wer ein Handy ohne Internetzugang benutzt, entgeht den Datensammlern nicht. Es reichen schon einfache Strahlungen, um z.B. In Supermärkten genau zu ermitteln, wie lange man sich vor welchem Regal aufgehalten hat. Interessant ist das für jeden, der etwas verkaufen will.

Wieweit die Digitalisierung inzwischen fortgeschritten ist, machte Morgenroth gleich zu Beginn seiner Ausführungen deutlich: Da sind Zahnbürsten, Rauchmelder und Straßenlaternen, Schaufensterpuppen, Kleidung, Mülleimer oder Kleiderhaken, Kugelschreiber, Babystrümpfe und ja, auch der deutsche Wald mit Kameras und datenermittelnden Chips versehen. "Im Jahr 2020 werden mehr als 50 Milliarden Gegenstände mit dem Internet verbunden sein – also fast alles, was es gibt", ist sich der Experte sicher. Zum Vergleich: Alles, was vom Jahr 0 bis zum Jahr 2003 jemals veröffentlicht, gemalt, gesungen ... wurde, entspricht einer Datenmenge von fünf Milliarden Gigabyte. Heute wird genau diese Datenmenge in etwa einer Minute produziert.

Das Problem beginnt mit der Auswertung und Nutzung dieser Daten. Ist es in Deutschland noch verboten, persönliche Daten und Profile abzugreifen und weiterzugeben (z.B. Für Arbeitgeber), ist man in Amerika einen großen Schritt weiter. Dort sind beispielsweise auch  Daten von allen deutschen Haushalten gesammelt – mit jeweils ca. 1500 Einzeldaten, und die dürfen da auch weitergegeben werden. "Die Menschen werden da auf Basis der Daten eingeordnet", erzählt Morgenroth, der zwei Jahre im Silicon Valley arbeitete, aus eigener Erfahrung: "Und da gibt es auch eine Rubrik Abfall. Bei diesen Menschen lohnt es sich nicht, Werbung zu verschicken."

Also sind wir in Deutschland doch noch sicher, was mit unseren Daten passiert!? Weit gefehlt, denn auch wenn Daten anonymisiert verschickt werden, lassen sie sich schnell zurückverfolgen: "Sie können eine Person mit nur vier Informationen identifizieren."

Was kann man aber tun, um sich zu schützen? "Nicht viel", gibt Morgenroth unumwunden zu. Dazu bemängelt er, dass in Punkto Datenschutz zu wenig getan wird: "Wir benötigen strengere Gesetze, härtere Strafen, mehr Personal und: Datenschutz muss attraktiver werden." Und jeder muss selber darauf achten, was er preisgibt, wo er unterwegs ist, in welchen sozialen Netzwerken er sich bewegt, was er liked.

Die digitale Welt - Fluch oder Segen? Es ist sicher beides. Was aber nach diesem Abend bleibt, ist neben einer großen Nachdenklichkeit auch Wut: Wo bleibt hier der große kollektive Aufschrei? Warum geht niemand auf die Straße – für das Recht auf Privatspähre, für mehr Menschsein und gegen den allumfassenden Datenwahn? Wer mehr lesen will: Markus Morgenroth "Sie kennen dich, sie haben dich, sie steuern dich", Droemer-Knaur (Michaela Rothenberg-Kieffer, 23.02.2015)

 


Weitere Informationen enthält der Flyer Akademietage 2015 .

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